Informationen zur AuskreisungsDebatte

Statement von Herrn Landrat Thomas Reumann zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg vom 17. Februar 2020, mit der die Verfassungsbeschwerde der Stadt Reutlingen als unzulässig zurückgewiesen worden ist

Nach sieben Jahren Hängepartie ist das Thema Stadtkreis vom Tisch - unsere Hand bleibt ausgestreckt

„Ich begrüße die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg sehr, denn  sie schafft Klarheit. Die Hängepartie ist damit zu Ende, nach sieben Jahren ist das Thema Stadtkreis vom Tisch. Denn alle drei Gewalten unseres Landes, die Landesregierung, der Landtag sowie der Verfassungsgerichtshof haben entschieden.

Damit bleibt die bestehende und bewährte Solidargemeinschaft Landkreis Reutlingen zwischen dem städtischen und dem ländlichen Raum erhalten und wird nicht durch eine Auskreisung geschwächt. Entscheidend ist dabei die Bürgersicht, denn wir müssen von den Bürgerinnen und Bürgern her denken, um deren Anliegen und Belange müssen wir uns kümmern. Die zentrale Frage lautet, wie der städtische und der ländliche Raum gleichermaßen attraktiv erhalten werden und die Zukunftsfragen in einem gemeinsamen Verständnis und miteinander gelöst werden können.

Zukunftschancen bestmöglich zu nutzen und die vor uns liegenden Herausforderungen zum Wohle der Menschen, unserer Bürgerinnen und Bürger gut zu bewältigen - das muss doch unser Maßstab und unser Selbstverständnis sein. Entscheidend sind nicht Strukturen und Verwaltungszuständigkeiten, sondern es muss darum gehen, wie die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie zum Beispiel der demographische und digitale Wandel für alle Bürgerinnen und Bürger am besten bewältigt werden.

Wir haben als Landkreis und Stadt viele konkrete Schnittmengen. Jugendhilfe, Regional-Stadtbahn, Berufliche Schulen, wie Integration und Unterbringung von geflüchteten Menschen, kulturelle und soziale Themen, alles Bereiche, in denen wir in den vergangenen Jahren sehr gut zusammengearbeitet haben. Das Modellprojekt 5G, unser Biosphärengebiet oder die Modellregion Wasserstoffregion, weitere Zukunftsthemen, die wir gemeinsam besser voranbringen können.
 
Deshalb ist nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs jetzt die Zeit, das Verbindende noch viel mehr in den Blick zu nehmen als das Trennende. Mit einem partnerschaftlichen Miteinander, einem Verständnis von Stadt und Land im Sinne von „Hand in Hand“, mit einem vernetzen Denken und einer integrativen Kommunalpolitik, die Fragen anzupacken.

Und ja: Wir haben den Auftrag des Landtags angenommen und nehmen ihn sehr ernst. Unmittelbar nach der Entscheidung des Landtags habe ich der Stadt Reutlingen ein konkretes Gesprächsangebot gemacht. Dies entspricht auch einem klaren Auftrag des Kreistages, der seine Entscheidung am 1. April 2019 getroffen hat. Dazu müssen wir aber dringend an einen Tisch sitzen und miteinander sprechen. Deshalb stehe ich unverändert zu unseren Gesprächsangeboten aus dem vergangenen Jahr, die ich mit Schreiben vom 6. Juni und 22. Juli 2019 an Herrn Oberbürgermeister Keck übersandt habe. Herr Oberbürgermeister Keck hat diese Gespräche leider mit zwei Schreiben abgelehnt. Für den Landkreis bleibt es dabei: Unsere Hand bleibt ausgestreckt.

Unsere gemeinsame Verantwortung ist klar formuliert im Auftrag des Landtages, der uns ersucht hat, gemeinsam Möglichkeiten der Verbesserung der kommunalen Zusammenarbeit und der Aufgabenerfüllung herauszuarbeiten.
Dazu brauchen wir keine Vorgaben aus Stuttgart - wir vor Ort müssen das besprechen. Landkreis und Stadt - wir sind selber groß!“

Kernargumente gegen Auskreisung

Wenn es nicht nötig ist, etwas zu ändern, dann ist es nötig, es nicht zu ändern!

1. Die Landkreisstruktur hat sich bewährt
Der seit 44 Jahren bestehende Landkreis Reutlingen hat sich bewährt. Der Landkreis ist ein attraktiver Standort mit hoher Lebensqualität. Das bestätigen viele Kennzahlen, das belegen aber auch gemeinsame Projekte von Landkreis und Stadt.

2. Landkreis und Stadt gehören zusammen
Der Landkreis und die Stadt gehören zusammen, ja sie sind sogar aufeinander angewiesen. Es gibt unzählige Verflechtungen im Bereich der Bildung, der Arbeit, der Freizeitgestaltung, des Verkehrs... Der Dienstleistungsschwerpunkt Stadt und die industrielle Struktur des Landkreises ergänzen sich zum Wohle beider.

3. Landkreis und Stadt sind gemeinsam stärker
Landkreis und Stadt stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Vielmehr konkurrieren Landkreis und Stadt gemeinsam mit anderen Landkreisen und Regionen: Sie konkurrieren um Einwohner, um Gewerbebetriebe, um Zukunftschancen. Bislang hat das gut gemeinsam geklappt.

4. Gute Aufgabenerledigung statt Zuständigkeitsgerangel
Es darf nicht um Verwaltungsstrukturen, um Verwaltungszuständigkeiten gehen. Die Bürgerinnen und Bürger und die Betriebe interessiert nicht, in welcher Verwaltungsstruktur Aufgaben erledigt werden; vielmehr wollen sie, dass ihre Anliegen schnell, effizient und bürgernah erledigt werden.

5. Erhalt der Solidargemeinschaft statt Kirchturmdenken
Es geht vielmehr darum, wie man den städtischen und ländlichen Raum glei­chermaßen attraktiv halten und und die drängenden Zukunftsfragen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gemeinsam bestmöglich lösen kann. Wie gewährleisten wir auch in Zukunft eine flächendeckende Hausarztversorgung und eine wohnortnahe stationäre Versorgung in den Krankenhäusern? Wie gestalten wir eine zukunftsfähige Mobilität? Wie setzen wir die Digitalisierungsoffensive im städtischen wie auch im ländlichen Raum am besten um? Diese und andere Zukunftsfragen lösen wir nicht besser durch die von der Stadt beantragte Auskreisung. Es geht vielmehr um die Gestaltung der Zukunft unter Erhalt der Solidargemeinschaft zwischen städtischem und ländlichem Raum.

6. Auskreisung führt zu unwirtschaftlichen Doppelstrukturen
Eine Auskreisung würde zu unwirtschaftlichen, teuren Doppelstrukturen führen - Doppelstrukturen, die wenige 100 Meter voneinander entfernt bestehen. Die Verwaltungskraft würde zergliedert, dadurch steigen die Verwaltungskosten. Die Bürgerinnen und Bürger und die Betriebe hätten diesen Preis der Auskreisung durch höhere Gebühren zu bezahlen.

7. Stadt Reutlingen hat keinen Rechtsanspruch auf Auskreisung
Die Stadt Reutlingen hat keinen Rechtsanspruch auf Erklärung zum Stadtkreis.

8. Es geht nicht nur um die Interessen der Stadt Reutlingen
Eine Auskreisung muss durch wichtige Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt sein. Dabei geht es nicht nur um die Interessen der Stadt Reutlingen. Vielmehr müssen auch die Auswirkungen einer Auskreisung z. B. auf den Landkreis und die anderen kreisangehörigen Städte und Gemeinden berücksichtigt werden. Letztlich geht es um eine Gesamtabwägung aller Interessen.

9. Es geht um viel Geld
Bedeutsam sind auch die finanziellen Folgen einer Auskreisung. Wie geht es im Falle einer Auskreisung Reutlingens beispielsweise weiter mit den Kreiskliniken, den Berufsschulen oder der Kreissparkasse? Wie wird das öffentliche Vermögen zwischen Landkreis und Stadt verteilt? Wie viele Millionen Euro Schulden übernimmt die Stadt?

10. Das Auskreisungsverfahren bindet wichtige Ressourcen
Das Verfahren über den Reutlinger Auskreisungsantrag ist sehr komplex. Es bindet viel Personal, verursacht erhebliche Kosten - bei Stadt und Landkreis, aber auch beim Land. Arbeitszeit und Geld, die für andere wichtige Aufgaben sinnvoller eingesetzt werden könnten.


Landrat Thomas Reumann formuliert Drei-Stufen-Plan 21.02.2020

 Schreiben von Landrat Thomas Reumann

Urteil des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17.02.2020

  Urteil VGH vom 17.02.2020

  Pressemitteilung VGH 18.02.2020

Sitzung des Landtags am 20. Dezember 2018

1. Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung

Mögliche Konsequenzen der Gründung eines
Stadtkreises Reutlingen für die Stadt und den Landkreis Drucksache 16/3321

dazu gestellter Antrag:

Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU Drucksache 16/5410

Plenarprotokoll der Landtagssitzung am 20.12.2018


Weiterführende Informationen

Kreistagsdrucksache 31.07.2015

Kreistagsdrucksache 14.07.2015

Gutachten Professor Lenz

Gutachten Professor Junkernheinrich

Prognosstudie

Schreiben an IHK Gremium Februar 2018


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