25. Oktober 2010

  • © Landkreis Reutlingen

Einbringung des Kreishaushalts 2010

„Krise kann ein produktiver Zustand
sein.Man muss ihr nur den Beigeschmack
der Katastrophe nehmen“

(Max Frisch) 

 
Einbringung durch Landrat Thomas Reumann
25.Oktober 2010
Es gilt das gesprochene Wort

 
Meine sehr geehrten Damen und Herren Kreisräte,
meine sehr geehrten Damen und Herren,


jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, weiß, was für ein gewaltiger Kraftakt hinter dem gesamten Team des Landratsamtes Reutlingen seit dem Startschuss 2009 liegt:
  • Ich spreche von der Umstellung des Haushaltes vom kameralen Haushalt, wie wir ihn seit je her kennen, 
  • hin zum doppischen Produkthaushalt, dem im Kern die Systematik der kaufmännischen Buchführung zu Grunde liegt.
Mit dem Haushalt 2011 wendet der Landkreis Reutlingen damit erstmals das Neue Kommunale Haushaltsrecht für Baden-Württemberg an, das spätestens ab dem Jahr 2016 für alle Kommunen verbindlich umzusetzen ist.

Vor Ihnen liegt der erste doppische Produkthaushalt des Landkreises Reutlingen.

Sie werden es sehen:
  • Der Haushalt hat ein völlig neues Erscheinungsbild. Wenn Sie diesen Haushalt zum ersten Mal in die Hand nehmen, wird er Ihnen zunächst ungewohnt sein.
  • Zumal die unmittelbare Vergleichbarkeit der Zahlen in diesem Jahr eins der Doppik zum Vorjahr mit kameraler Haushaltssystematik nur sehr eingeschränkt gegeben ist.
Sie werden aber sehr schnell merken, dass gar nicht alles neu ist und Ihnen viele bekannte Dinge begegnen.

Zwei Dinge sind mir wichtig an dieser Stelle zu unterstreichen:

Erstens:
  • Mein Team im Landratsamt hat hier einen tollen Job gemacht.
    Ohne ein Riesenengagement auf allen Ebenen des Landratsamtes hätten wir es niemals geschafft, den Haushalt 2011 fristgerecht vorzulegen.
  • Es ist mir deshalb wichtig, für diese außerordentliche Leistung gleich zu Beginn meiner Ausführungen herzlich öffentlich zu danken – toll gemacht!

  • Stellvertretend für das Führungsteam danke ich unserem Verwaltungsdezernenten Gerd Pflumm, der das Projekt „Doppik“ mit Experimentierfreude, Begeisterungsfähigkeit, Dynamik und Schwung zu seiner Sache gemacht hat.
  • Stellvertretend für die Arbeitsgruppe nenne ich Frau Dreier und Frau Schneider, die zeitweise Alleinkämpferinnen waren und das Projekt mit Flexibilität und Ideenreichtum vorangebracht haben, ebenso nenne ich Frau Holder und Herrn Ott, die eine Fortbildung zur Kommunalen Finanzbuchhaltung gemacht und ebenfalls ein Riesenengagement gezeigt haben.
  • Und ich nenne Herrn Gekeler, der das Projekt mit sehr viel Sachkunde, Teamgeist, Fleiß und einer klasse Leistung befördert hat.
    Danke!
Zweitens:
  • Wir erfinden mit der Umstellung auf diesen doppischen Produkthaushalt das Rad nicht neu; übrigens auch nicht im Hinblick auf den sparsamen Umgang mit öffentlichen Geldern und im Hinblick auf die Wahrnehmung der finanzpolitischen Verantwortung für unsere Kinder und Enkel.
  • Und nein:
    Wir werden durch die Umstellung nicht mehr Geld im Haushalt des Landkreises zur Verfügung haben. Doppelte Buchführung sind Planungs- und Bewirtschaftungsmethoden – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
  • Ich bin aber sehr wohl überzeugt davon, dass wir auf Grund einer größeren Transparenz und besserer Steuerungsmöglichkeiten gemeinsam - Kreistag und Verwaltung - von dieser Arbeit profitieren werden.
Meine Damen und Herren,

das vergangene Jahr, seit der Einbringung des Haushaltes 2010 hier an derselben Stelle, hat uns alle gemeinsam vor neue Aufgaben und große Herausforderungen gestellt.

Der wirtschaftliche Abschwung in Folge der weltweit größten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegsgeschichte hat auch im Landkreis Reutlingen deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.

Aber seien wir ehrlich:
  • Wer von uns hätte zu hoffen gewagt, dass sich die Wirtschaft bei uns im Land, in der Region, im Jahr 2010 so schnell und in dieser Größenordnung wieder erholt?
  • Und:
    Wer hätte in diesem Raum vor einem Jahr vorherzusagen gewagt, dass sich die Arbeitslosenquote schon wieder auf einer Größenordnung von um die 4 % einpendelt, ja die Bundesregierung für dieses und das kommende Jahr gar von einer Größenordnung von unter 3 Mio Menschen ohne Arbeit ausgeht?
Es kann einem gar schwindelig werden:
  • Von einem „XL-Aufschwung“, einem Wachstumswunder ist die Rede.
  • Von Wachstumsprognosen für die Wirtschaft von plus 3,4 % oder
    3,5 % im Jahr 2010 und plus 1,8 % im Jahr 2011
  • ein Milliardensteuerplus ist in Sicht von plus 12,5 Milliarden im Jahr 2010 und weiteren 3 bis 8 Milliarden 2011. Für Baden-Württemberg geht man von  einem Plus von 130 Millionen Euro aus.
  • Der Finanzexperte des Kieler Institutes für Weltwirtschaft wird zitiert mit der Aussage:
    „Gerade die Gewinnsteuern wie Gewerbe- und Körperschaftssteuern laufen extrem gut“.
Wie gesagt, wer hätte sich eine dermaßen positive Entwicklung vorstellen können?

Also alles im grünen Bereich? Weshalb aber dann ein absoluter Sparhaushalt?

Wir sind uns sicher einig:
Ein Konjunkturoptimismus ist für die Aufstellung des Haushaltes 2011 des Landkreises vertretbar.
Aber: Wir sind keine Insel der Seligen und von der Wirtschaft abhängig:

  • wie geht es mit den USA und China
  • wie mit unseren europäischen Nachbarn weiter?
Und:
Bei aller Erleichterung über die gestiegenen Prognosen und die Tatsache, dass die eine oder andere Gemeinde wegen der anziehenden Konjunktur etwas mehr Geld in die Kassen bekommen wird als geplant:


Die Nachwehen der Krise werden in allen Städten, Gemeinden und im Landkreis noch bis mindestens 2012 deutlich zu spüren sein.
Schließlich hat das Wegbrechen der Gewerbesteuereinnahmen die Haushalte teilweise tsunamiartig getroffen.

  • Im Ergebnis sinkt die Steuerkraft der Gemeinden gegenüber dem Vorjahr um minus 9,9 %,
  • dadurch reduziert sich auch die Steuerkraft des Landkreises um minus 9,8 %.
Dies wirkt sich im Jahr 2011 auf den Haushalt des Landkreises Reutlingen heftig aus und nimmt auch uns die Luft zum Atmen:
  • Bei gleichbleibendem Hebesatz der Kreisumlage von 31 %-Punkten verringert sich das Kreisumlageaufkommen um 9 Mio Euro, sinkt also von 92 Mio Euro auf rd. 83 Mio Euro
  • zugleich reduzieren sich die Zuweisungen vom Land nach mangelnder Steuerkraft um 5,3 Mio Euro.
Rechnen wir alles zusammen, haben wir im Kreishaushalt 2011 eine Deckungslücke von 16,2 Mio Euro zu verkraften.
Rein rechnerisch sprechen wir damit über die Notwendigkeit, den Kreisumlagehebesatz um 6,1 %-Punkte zu erhöhen, von 31 %-Punkten im Jahr 2010 auf 37,1 % 2011.


Aber: Das geht nicht!

Jeder, der in den Städten und Gemeinden Verantwortung trägt, weiß: Das können die Städte und Gemeinden nicht verkraften.
Die finanzielle Entwicklung der Gemeinden im Kreis wird allein beim Vergleich der Nettoinvestitionsraten in den vergangenen Jahren deutlich.

  • Im Vergleich zu 2008 haben sich die Nettoinvestitionsraten der 24 Gemeinden, deren Haushalte vom Landratsamt zu genehmigen sind, um rd. 42 Mio Euro verschlechtert.
  • Von den genehmigten Haushalten sind 17 als problematisch anzusehen,
  • 5 Gemeinden haben richtig problematische Haushalte.
  • Nur noch 2 Gemeinden haben eine positive Nettoinvestitionsrate.
Eine derart außergewöhnlich prekäre Situation erfordert deshalb ein gemeinsames Handeln im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für die kommunalen Haushalte der Städte, der Gemeinden und des Landkreises.
Wir haben deshalb den in finanziell guten Zeiten eingeschlagenen Weg des Miteinanders konsequent fortgeführt und gemeinsam Neuland betreten:

  • mit zwei vorbereitenden Workshops, die wir bewusst „Zukunftswerkstätten“ genannt haben, und in denen Kreistagsfraktionen, Verwaltung und Personalrat vertreten waren
  • und einer abschließenden Haushaltsklausur des gesamten Kreistages am 21. Juli 2010.
Ich halte diesen Prozess für beispielhaft und wegweisend. Denn wir haben dadurch dokumentiert, dass wir die vor uns liegenden Aufgaben als große gemeinschaftliche Herausforderung begreifen, für die wir nur gemeinsam vernünftige und sachgerechte Lösungen finden können.

Dafür danke ich an dieser Stelle allen Fraktionen. Ich denke, diese offene Art zeichnet uns im Landkreis aus!

Es geht dabei nicht isoliert um Einsparen, Reduzieren und Kürzen, sondern es geht darum, gemeinsam in einen Dialog einzutreten über notwendige, auch über den Hauhalt 2011 hinaus weisende strukturelle Veränderungen, über Prioritätensetzungen und Standards.

Es geht darum, Transparenz herzustellen, wo überhaupt mögliche Stellschrauben in einem Kreishaushalt sind, wo aber auch die Grenzen von Einsparmöglichkeiten bestehen.
Im Kern geht es um die Balance zwischen Sicherstellung der notwendigen Aufgabenerfüllung durch den Landkreis und den dramatisch schlechten Haushalten der Städte und Gemeinden.


Wir haben in der Kreistagsklausur über wesentliche Eckpunkte mehrheitlich Konsens erzielt, was natürlich nicht ausschließt, dass wir in Einzelfragen in den Haushaltsberatungen noch intensiv miteinander diskutieren werden müssen.
Und wir haben uns darauf verständigt, diesen Prozess im kommenden Jahr vor der Sommerpause gemeinsam fortzusetzen.


Um die Deckungslücke zu schließen, haben wir in diesem Haushaltsentwurf ein Gesamtpaket geschnürt, das auf drei Säulen ruht:

Säule 1:

Erhöhung der Einnahmen, insbesondere dort, wo der Landkreis Gestaltungsspielraum hat:
  • etwa bei den Bußgeldern und den Gebühren der Unteren Verwaltungsbehörde.
  • Angesichts der positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben wir eine vertretbare Erhöhung des Ansatzes für die Grunderwerbsteuer eingestellt.
Säule 2:

Senkung der Ausgaben
  • insbesondere durch Reduzierung von Freiwilligkeitsleistungen und verwaltungsinternen Leistungen i. H. von 1,4  Mio Euro
  • Reduzierung des Ansatzes für den Zuschussbedarf im Sozialhaushalt von 108 Mio Euro auf rd. 106 Mio Euro (also um insgesamt 2 Mio Euro) 
  • Veranschlagung eines globalen Minderaufwandes in Höhe von 1,5 Mio Euro.
Säule 3:

Anhebung des Kreisumlagehebesatzes um 1,5 %-Punkte, was im Ergebnis einer absoluten Reduzierung des Kreisumlageaufkommens um 5,1 Mio Euro gegenüber dem Ansatz 2010 entspricht.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir uns die Geschäftsgrundlage dieses absoluten Sparhaushalts nochmals vor Augen führen:

In der Säule 1 des Gesamtpaketes, also der Erhöhung der Einnahmenansätze, unterstellen wir eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Ich halte dies für vertretbar. Es muss aber klar sein, dass hier erhebliche Haushaltsrisiken bestehen, ob diese Einnahmen auch tatsächlich erwirtschaftet werden können.

Im Bereich der 2. Säule, also der Ausgabenreduzierungen, halte ich die Einsparvorschläge i. H. von 4,9 Mio Euro in Zeiten großer finanzieller Not einmalig für rechtfertigbar.

Aber wenn wir uns die Einsparvorschläge im Einzelnen vor Augen führen, wird klar, dass wir in diesen Bereichen - ebenso wie die Städte und Gemeinden - gezwungen sind, äußerst schmerzhafte Einschnitte vorzunehmen.
  • Wir kürzen den Ausbildungs- und Fortbildungsetat für Mitarbeiter pauschal
  • wir streichen betriebliche Leistungen,
  • wir erhöhen die Parkgebühren für Mitarbeiter,
  • wir reduzieren im Bereich der Straßenunterhaltung und reduzieren Standards,
  • wir gehen im Bereich Freiwilligkeitsleistungen sehr schmerzliche Wege, indem wir die Dynamisierung der Verträge um 2 % bei unseren Partnern für das Jahr 2011 aussetzen
  • und die Zuschüsse für die Stadtranderholung streichen.
  • Wir gehen derzeit die Erweiterung der Schulsozialarbeit auf Gymnasien nicht an.
  • Wir machen im Landkreis also genau dies, zu dem jede Stadt und jede Gemeinde gezwungen ist,
  • wir setzen schmerzliche Maßnahmen um und muten unseren Partnern einiges zu.
Im Bereich des Sozialdezernates haben wir den Ansatz für den Zuschussbedarf um 2 Mio Euro reduziert.
Wir haben dies aber nicht pauschal gemacht, sondern auf der Grundlage einer detaillierten Untersuchung, und wir haben dies mit konkreten strukturellen Maßnahmen hinterlegt.
Ich denke schon: Wir müssen erkennen, dass die Hilfesysteme im sozialen Bereich hinsichtlich ihrer Finanzierbarkeit an ihre Grenzen gestoßen sind, dass steigende Fallzahlen nicht quasi automatisch mit einem steigenden Zuschussbedarf einhergehen können. Woher soll denn immer mehr Geld in die kommunalen Haushalte fließen?
Wollen wir also unser erklärtes Ziel erreichen, nämlich sicherzustellen, dass wir auch in Zukunft jedem Menschen, der Hilfe braucht, diese Hilfe zur Verfügung stellen können - sei es in der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, der Altenhilfe und der Sozialhilfe, dann geht es nicht um Sparen und Kürzen, um den Haushalt zu sanieren, sondern es geht darum, die Hilfesysteme so zukunftsfähig auszugestalten und damit strukturelle Veränderungen vorzunehmen, sodass wir auch künftig Hilfe anbieten können.
Solidarität ist Hilfe für den, dem die Kraft fehlt, für sich selbst einzustehen. Solidarität heißt aber auch Rücksicht auf unsere Kinder und Enkel zu nehmen im Hinblick auf eine solide Haushaltspolitik.
In diesem Sinne haben wir uns vor 5 Jahren auf den Weg gemacht, gemeinsam mit unseren Partnern in der freien Wohlfahrtspflege, die Hilfesysteme umzubauen.


Das geht nur mit unseren Partnern, denn es stehen große Investitionen und Arbeitsplätze im Hintergrund. Wir haben aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir diesen Weg konsequent gehen werden und gehen müssen.

Soweit etwa das Kreisjugendamt betroffen ist, haben wir 3 externe Sichtweisen bekommen von der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg, von einem Experten des Kommunalverbandes Jugend und Soziales und von der Firma Imaka, die unabhängig voneinander mit sehr klaren und unmissverständlichen Aussagen auf unsere Stärken, aber auch auf erhebliche Schwachstellen unserer Arbeit aufmerksam gemacht haben, insbesondere hinsichtlich der Steuerung, der Hilfeplanung und anderer Themen.

Und dies vor dem Hintergrund, dass wir auffällig seit Jahren unter den 35 Landkreisen bei den Leistungsausgaben mit an der Spitze stehen.

Es ist deshalb nur konsequent, wenn wir in klar strukturierten, stufenmäßig abzuarbeitenden Prozessen gemeinsam mit den Mitarbeitern und dem Personalrat und gemeinsam mit unseren Partnern die Strukturen angehen, hierfür die notwendigen Voraussetzungen innerhalb des Sozialdezernates schaffen und dann aber auch sehr konsequent diese neuen Strukturen umsetzen.
Ja, wir haben im Sozialhaushalt mit der Reduzierung des Ansatzes für den Zuschussbedarf von rd. 108 Mio Euro auf 106 Mio Euro ein äußerst ambitioniertes Ziel formuliert, dies aber nicht pauschal und „ins Blaue hinein“, sondern mit hinterlegten strukturellen Änderungen, die wir als notwendig erachten.


Das Risiko ist klar: Ob dies 2011 bereits haushaltswirksam in dieser Größenordnung umgesetzt werden kann, werden wir sehen.

Richtig ist aber auch, dass als Geschäftsgrundlage hierfür klar sein muss, dass wir die erheblichen Einsparbeiträge nur erbringen können, wenn wir auf der anderen Seite die von uns auf Grund Aufgabenzuwachs, Fallzahlensteigerungen und fachlicher Neuausrichtung erforderlichen Personalressourcen auch tatsächlich bekommen.

Das heißt konkret: Dieser Haushaltsplan sieht im Sozialdezernat insgesamt 5,75 Stellenneuschaffungen vor. Hinzu kommt insbesondere im Kreisjugendamt die Umwandlung von 3 bisher befristeten Stellen in Dauerarbeitsverhältnisse in der Krisenintervention. Dies ist in den Ihnen bekannten und jetzt im Haushaltsentwurf vorgesehenen Personalausgaben so etatisiert und Grundlage für die strukturelle Neuausrichtung.

Bei der dritten Säule des Gesamtpaketes, beim Thema Kreisumlage, ist aus meiner Sicht das Entscheidende, dass wir es trotz einer ursprünglichen Deckungslücke von über 16 Mio Euro gemeinsam geschafft haben, die absolute Höhe der Kreisumlage von über 92 Mio Euro auf 86,9 Mio Euro abzusenken.
Das Gesamtaufkommen der Kreisumlage wird also nach dem vorliegenden Entwurf des Kreishaushaltes 2011 trotz Erhöhung des Hebesatzes um 1,5 %-Punkte um über 5 Mio Euro gesenkt.
Wenn ich mir die Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres vor Augen halte, entspricht dies dem erklärten Willen des Kreistages, den absoluten Betrag der Kreisumlage als entscheidendes Kriterium zu Grunde zu legen. Entsprechend waren in den vergangenen Haushaltsberatungen ja klare Ziele formuliert worden.


Und ja:
Ich weiß, dass die Erhöhung des Hebesatzes um 1,5 %-Punkte bei der einen oder anderen Stadt oder Gemeinde trotz des Absenkens des absoluten Kreisumlagevolumens um 5 Mio tatsächlich im Einzelfall zu einer Erhöhung des Kreisumlagevolumens führt.


Halten wir uns aber bitte gemeinsam vor Augen,
  • dass dieser Sparhaushalt 2011 mit großen Haushaltsrisiken belastet ist,
  • dass der Ergebnishaushalt 2011 zwar ausgeglichen ist, der Finanzhaushalt freilich ein Finanzierungsmitteldefizit von 1,5 Mio Euro ausweist,
  • wir hoffen alle, dass sich die konjunkturelle Entwicklung in einem nachhaltigen Rückgang der arbeitslosen Menschen im SGB II darstellt. Die Frage wird sein, ob die Zahl der Bedarfsgemeinschaften tatsächlich in der erwarteten Größenordnung im Jahr 2011 sinkt,
  • wir haben deutliche Forderungen nach Entgeltsteigerungen in der Jugend-, Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege. Die Frage ist, wie sich dies entwickeln wird,
  • und richtig ist auch, dass wir weitere Verschiebungen vom Bund auf die Kommunen haben - etwa durch die vorgesehene Reduzierung des Wohngeldes im Sparpaket des Bundes - und damit höhere Unterkunftskosten im SGB II in der Sozialhilfe haben.
  • Nicht zuletzt steigt die Zahl von Asylbewerbern weiter an, so dass wir von höheren Kosten ausgehen müssen.
Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, dass ich für weitere Reduzierungen – egal in welchem Bereich – keinerlei Spielraum sehe.

Krise, so hat es Max Frisch formuliert: „Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“.

Und in der Tat:

Wir haben auch in Zeiten knapper Haushalte vielversprechende Initiativen, die Mut machen, die zukunftsfähig sind und die deutlich machen, dass wir weit voran kommen können, wenn wir die Herausforderungen mit Mut, Tatkraft und Zuversicht angehen.

Ich denke an unsere landesweite, ja bundesweite Sonderstellung in Sachen nachhaltige Regionalentwicklung.
  • Nur bei uns gibt es in Baden-Württemberg ein Biosphärengebiet, auch waren wir die Ersten, die in Baden-Württemberg eine Klimaschutzagentur gegründet haben.
  • Nur bei uns gibt es die „Wilden Wochen“ – schon zum zweiten Mal. Andere schauen interessiert bis neidisch auf uns.
  • Oder schauen wir auf die Besonderheit der Kooperation „Streuobstland“, die auf unsere Initiative hin unter unserer Federführung entstanden ist.
    Wir haben uns zusammen mit den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Rems-Murr-Kreis, Tübingen und den Zollern-Alb-Kreis zu dieser Kooperation zusammengeschlossen, um unsere herrliche Streuobstlandschaft – wir sprechen über 2 Mio Obstbäume auf rd. 34 000 Hektar Fläche - noch besser schützen zu können. Es ist ein Beispiel mehr dafür, dass man – ohne große Geldmittel – durch die Vernetzung bestehender Aktivitäten und Strukturen erheblichen Nutzen erzielen kann.
  • Ein weiteres Beispiel dafür, dass man ohne zusätzliches Geld, aber mit Kreativität und Kompetenz erhebliche Verbesserungen erzielen kann, ist die in diesem Jahr erreichte Neuordnung des ÖPNV auf der Vorderen Alb.
    Bereits vor 3 Jahren haben wir den ÖPNV zwischen Münsingen und Bad Urach neu geordnet: Damals haben wir rd.
    1,1 Mio Buskilometer pro Jahr neu sortiert und – ohne den Einsatz von Kreismitteln – einen Quantensprung für den ÖPNV im Raum St. Johann - erreicht.
    In diesem Jahr haben wir die Neuordnung des ÖPNV auf der Vorderen Alb abgeschlossen. Wir haben in einer engen Kooperation mit dem Landkreis Esslingen und den beteiligten Verkehrsunternehmen in diesem Bereich rd. 352 000 Buskilometer pro Jahr neu sortiert. Aus bislang schlecht oder gar nicht abgestimmten Linien ist so ein zusammenhängendes Liniennetz mit einem darauf abgestimmten Fahrplan entstanden. Wir haben also einmal mehr im ÖPNV einen Quantensprung erreicht, ohne dass Kreismittel in die Hand genommen werden mussten.
  • Wir haben mit dem Kongress zum Thema Demographie im Regierungsbezirk und darüber hinaus Maßstäbe gesetzt.
    Wir haben nicht viel Geld in die Hand genommen, um einen weiteren Demographiebericht über den Landkreis abzuliefern. Sondern wir haben uns gemeinsam mit dem Kreisverband des Gemeindetages, Herrn Bürgermeister Heß, am Unterstützungsbedarf der Städten und Gemeinden orientiert.
  • Wir gehen das Thema Gesundheitsversorgung der Menschen im ländlichen Raum durch Hausärzte offensiv an.
  • Wir haben mit dem Forum muslimischer Frauen im Bereich der Integration ein bundesweit herausragendes Projekt umgesetzt und werden hierfür den Deutschen Integrationspreis bekommen. Die Frage ist noch, auf welcher Platzierung. Aber ich denke das ist egal, wir haben hier Maßstäbe gesetzt.
  • Und, wir haben dadurch, dass wir Einbürgerungsfeiern im Landkreis etabliert und in diesem Jahr die 2. durchgeführt haben, deutlich gemacht, dass wir die neuen Staatsbürger willkommen heißen und uns  wünschen, dass wir noch viel mehr Einbürgerungsanträge positiv scheiden können.
  • Wir investieren gewaltig in unsere Kreiskliniken und in unsere beruflichen Schulen.
Auch wenn wir momentan also wenig Grund zum Feiern haben, was die Haushaltslage des Landkreises angeht, so brauchen wir dennoch den Kopf nicht hängen zu lassen. Lassen Sie uns mutig, kraftvoll und dynamisch in die Zukunft blicken.
Klar:
Dazu bedarf es gewaltiger Anstrengungen. Wir haben aber in der Zukunftswerkstatt und in der Kreistagsklausur die Weichen hierfür gestellt.



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