Landkreis aktuell

"Wir feiern, dass Sie sich für Deutschland entschieden haben“


Stellvertretend für 351 weitere Eingebürgerte erhielt einzig und allein José Elias Guerrero Serrano am Dienstagabend die Urkunde, die beweist: Ab sofort ist der in der Dominikanischen Republik Geborene deutscher Staatsangehöriger. Guerrero ist Musiker, er spielt in der Pit Lopez Band und hat sich zu der Einbürgerung entschlossen, weil er seit 2013 in Deutschland wohnt. Natürlich wünsche er sich, dass er möglichst bald wieder mit seiner Band auftreten könne. Am Dienstagabend erhielt Guerrero die Urkunde zusammen mit einem „Überlebenspaket“, so Thomas Reumann. Natürlich durften in dem Geschenkkorb Spätzle nicht fehlen, wie Reutlingens Landrat schmunzelnd betonte. Die Urkunde an Guerrero überreicht hat aber Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl im großen Sitzungssaal des Reutlinger Landratsamts.

Während bisher in den zurückliegenden zehn Jahren die Einbürgerungsfeiern jeweils in großen Hallen mit viel Publikum durchgeführt wurden, saßen am Dienstagabend gerade mal fünf Personen – mit großem Abstand – auf dem improvisierten Podium im Sitzungssaal des Kreistags. Allerdings wurde die Feier mit viel Technik online übertragen – wer wollte, konnte am Computer zuhause zusehen. „Die altehrwürdige Stube wirkt heute wie ein Fernsehstudio“, bemerkte Thomas Strobl, der laut Landrat Thomas Reumann nicht lange gezögert hatte, als er für die Teilnahme an der Feier angefragt worden war. Trotz des fehlenden Publikums „setzen wir mit dieser Feier ein klares politisches Zeichen für die Eingebürgerten, für ihre Angehörigen und Freunde, aber auch für den Landkreis – wir feiern, dass Sie sich für Deutschland entschieden haben“, so Reumann.

Mit der Übernahme der deutschen Staatsbürgerschaft hätten sich die 352 Personen zum deutschen Grundgesetz bekannt, zur hiesigen Kultur und Sprache. „Die Feier ist ein Festtag für eine offene Gesellschaft“, betonte Reutlingens Landrat. „Ihre Entscheidung bedeutet, zu einer Gesellschaft zu gehören, in der Migration und Integration eine große Rolle spielt.“ Mehr als 5000 Personen mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Nationalitäten haben sich laut Reumann in den zurückliegenden elf Jahren einbürgern lassen. Nach dem Anschlag in Wien und an anderen Orten „ist es umso wichtiger, Stellung zu beziehen und Nein zu sagen zu Rassismus, zu körperlicher und verbaler Gewalt – Zivilcourage ist gefragt“, betonte der Landrat. „Wir müssen zeigen, dass die Demokratie stärker ist als Hass und Gewalt.“ Es gelte, nicht die Anderen, die Fremden in den Migranten zu sehen, „sondern die Nachbarn, die Mitbürgerinnen und Mitbürger“, so Reumann. Denn: „Jeder Mensch ist einzigartig und genau diese Vielfalt bietet Chancen – machen Sie unseren Landkreis lebendiger und vielfältiger“, forderte der Landrat die neu Eingebürgerten auf. „Hier sind Sie willkommen.“

Innenminister Strobl betonte in seinem Grußwort: „Die Einbürgerung ist kein alltäglicher Verwaltungsakt, sie ist eine Lebensentscheidung für jede und jeden Einzelnen.“ Mit der Einbürgerung im Reutlinger Landkreis hätten die Eingebürgerten „ein Zeichen gesetzt, dass Sie sich mit dem Landkreis identifizieren, Ihnen gilt unser Dank, Respekt und Anerkennung“, so Thomas Strobl. Zu den extremistischen Anschlägen in Wien und in Frankreich sagte der Innenminister ähnlich wie Reumann: „Es ist wichtig, als Demokraten zusammenzustehen gegen Extremismus, gegen Hass und Gewalt – die freiheitliche Demokratie wird sich verteidigen gegen die Feinde der Demokratie.“ Weiterhin sagte Strobl zu den Eingebürgerten: „Sie sind willkommen und wir brauchen Sie.“ Gleichzeitig bat der Minister: „Machen Sie von Ihren Bürgerrechten Gebrauch, gehen Sie wählen, bringen Sie sich in eine aktive und lebendige Gesellschaft ein.“

Welche Beweggründe die jeweiligen Personen zu dem Schritt der Einbürgerung geführt hatten? Nicola Vollkommer wurde in Großbritannien geboren, sie ist in Nigeria und Cambridge aufgewachsen und hatte 2016 den Einbürgerungsantrag in Reutlingen gestellt. „Der Brexit war wohl der Anlass, neben der Tatsache, dass ich meinen Mann hier gefunden habe“, sagte Vollkommer im Landratsamt. „Ich wollte ein bewusstes Ja zum Ländle sagen“, betonte sie schmunzelnd. Wertschätzung und Dankbarkeit empfinde sie gegenüber Deutschland. Laverne Ruth Sahm, die per Video zugeschaltet war, wurde in Irland geboren, „ich bin seit 2018 deutsche Staatsangehörige“. Warum sie Deutsche werden wollte? „Damit ich hier wählen durfte.“ Wichtig sei ihrer Meinung nach, sich ehrenamtlich zu engagieren, in Vereine zu gehen und zu Elternabenden, wenn Kinder da sind. „Es ist auch wichtig, aufeinander achtzugeben“, so Sahm, die sich stark in die Flüchtlingshilfe einbrachte.
Professorin Hazel Sarah Grünewald wurde in Malawi geboren, lebte in Großbritannien, in Russland und unterrichtet nun an der ESB der Reutlinger Hochschule. „Ich habe seit 2019 den deutschen Pass“, sagte sie. Was sie an Deutschland schätzt? „Die Meinungsfreiheit, Demokratie und das deutsche Wertesystem“, so Grünewald. Wie alle anderen anwesenden Eingebürgerten schätze sie auch die deutsche Ordentlichkeit. Aber: Nach Kritikpunkten gefragt, sagte Nicola Vollkommer: „Die Deutschen könnten manchmal ein bisschen lockerer und lustiger sein, ein bisschen mehr lachen.“

INFO: Einbürgerungen zwischen 1. Juli 2019 und 30. Juni 2020

 
Insgesamt 352 Personen haben sich im vergangenen Jahr im Landkreis einbürgern lassen, darunter 185 weibliche und 167 männliche. „Die meisten Eingebürgerten sind zwischen 30 und 39 Jahre alt“, antwortete Landrat Thomas Reumann auf eine Frage der online teilnehmenden Zuschauer. 41 minderjährige Kinder waren unter den Eingebürgerten. 171 Personen haben ihre vorherige Nationalität aufgegeben, 181 beibehalten. Die größte Gruppe der Einbürgerungsbewerber kam wie in den Vorjahren einstmals aus der Türkei (38 Personen), gefolgt von Menschen aus dem Kosovo (36), aus Griechenland (26), Serbien (24) und Großbritannien (20).

Text und Fotos: Norbert Leister

Hier können Sie die Aufzeichnung der Einbürgerungsfeier anschauen:


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